Formel E: Schauplatz der Innovation
In der Formel E sind ausschließlich elektrisch angetriebene Formelfahrzeuge am Start. Wir stellen die internationale Rennserie und ihre Boliden vor und erklären, was es mit Attack-Mode und FANBOOST auf sich hat. (Bild: Adobe Stock)
In der Formel E sind ausschließlich elektrisch angetriebene Formelfahrzeuge am Start. Wir stellen die internationale Rennserie und ihre Boliden vor und erklären, was es mit Attack-Mode und FANBOOST auf sich hat. (Bild: Adobe Stock)
Das und mehr erfahren Sie hier über die Formel E:
- Die Rennserie gastiert während einer Saison in Metropolen rund um den Globus,
- trägt überwiegend Straßenrennen aus und
- gibt Fans die Möglichkeit, per Online-Voting aktiv ins Renngeschehen einzugreifen.
Mehrere Boliden jagen zwischen hochaufragenden Häuserfronten hindurch. Plötzlich verlässt eines der Rennautos die Ideallinie, durchfährt einen markierten Bereich auf dem Asphalt und holt sich so zusätzlichen Schub. Mit der Extraportion Power beschleunigt der Pilot aus der Kurve heraus. Auf der nächsten Geraden zieht er an seinen Kontrahenten vorbei. Klingt nach einem Videospiel, beschreibt aber Szenen aus der ABB FIA-Formel-E-Weltmeisterschaft oder kurz: Formel E. Die Ähnlichkeit zur Welt des Gaming ist nicht ganz zufällig. Die rein elektrische Rennserie soll gezielt ein jüngeres Publikum ansprechen. Doch was ist die Formel E überhaupt?
Die Idee geht auf Formel-E-Gründer Alejandro Agag und den Präsidenten der Fédération Internationale de l’Automobile (FIA) Jean Todt zurück. Beide wollten eine Rennserie etablieren, die innovative Technologie und Nachhaltigkeit mit der Begeisterung für Motorsport kombiniert. 2011 sollen sie das Konzept in einem Pariser Restaurant auf einer Serviette skizziert haben.
Von ein paar Strichen auf einem Stück Papier bis zur Premiere des neuen Wettbewerbs für Elektrofahrzeuge dauerte es lediglich drei Jahre. Am 13. September 2014 wurde das erste Rennen im Olympiapark von Peking ausgetragen. Inzwischen ist die ABB FIA Formel E längst eine globale Marke. Gesponsert wird sie seit 2018 von einem schwedisch-schweizerischen Energie- und Automatisierungstechnikkonzern.
Formel E: E-Prix in aller Welt
Der Formel-E-Kalender umfasst 14 Rennen pro Saison in zwölf verschiedenen Metropolen. Die – in Anlehnung an den Grand Prix – E-Prix genannten Rennen finden in Diriyah (Saudi-Arabien) und Puebla (Mexiko) statt, in New York (USA) und Monaco, in Rom (Italien), Valencia (Spanien) und London (Großbritannien). In Deutschland macht die Serie in Berlin Station. Das Teilnehmerfeld umfasst 24 Piloten aus zwölf Formel-E-Teams, darunter auch das Team Audi Sport ABT Schaeffler.
Wer wie der ehemalige Rennfahrer Daniel Abt beim E-Prix mitfahren möchte, benötigt eine spezielle e-Lizenz. Dafür ist die internationale B-Lizenz der FIA ebenso Voraussetzung wie ein FIA-Lehrgang zu elektrischem Motorsport. Außerdem müssen die Pilotinnen und Piloten in den vorangegangenen drei Jahren mindestens 20 Punkte im Superlizenz-System der FIA gesammelt haben oder ehemals im Besitz einer F1-Lizenz (ab 40 Punkten) gewesen sein. Alternativ zählen drei Formel-E-Rennen in der vorangegangenen Saison.
In ihrer noch jungen Geschichte hat die Formel E schon einige kleinere und größere Revolutionen erfahren. Unter anderem wurde zunächst in der Mitte des Rennens das Auto getauscht, da der Akku nicht über die gesamte Distanz hielt. Seit Saison fünf macht ein Einheitsakku mit 54 kWh den Wechsel überflüssig. Ebenfalls einheitlich ist das Chassis. Seit der Saison 2018/19 sind alle Teams mit dem FE18 Spark Racing Technology unterwegs, oder einfach „Gen2“.
Das kostet ein Formel-E-Bolide
Auch der Antriebsstrang war zunächst einheitlich, doch schon seit der zweiten Saison dürfen Teams eigenständig an Elektromotor, Inverter, Getriebe und Hinterradaufhängung sowie Software tüfteln. Bis zu 40 Millionen Euro sollen die Topteams der Formel E pro Jahr in die Entwicklung stecken. Die Formel-E-Boliden selbst dürfen maximal 817.300 Euro kosten.
Überwiegend Straßenkurse im Formel-E-Rennkalender
Die meisten Formel-E-Rennen werden auf Straßenkursen gleich im Stadtzentrum ausgetragen. Nicht nur die kurvigen Strecken, auf denen die Rennwagen gut Energie aufnehmen können, sprechen dafür. Vor allem möchte die extrem publikumsfreundliche Rennserie die E-Autos mitten hinein in den urbanen Raum bringen. Also dorthin, wo ihre serienmäßig produzierten Brüder und Schwestern wie ID.3, ID.4 und ID.5 von Volkswagen zunehmend unterwegs sind. Interessierte erleben das ganze Potenzial der E‑Mobilität dabei aus erster Hand.
Die Nähe zu den Zuschauern ergibt sich aber nicht nur über den Veranstaltungsort. Mit komprimierten Events, einer hohen Social-Media-Affinität und hochmoderner Technik bewegt sich die Formel E am Puls der Zeit. Mit der Formel-E-App bleiben Fans immer auf dem neuesten Stand und die Regularien der Formel-E-Meisterschaft sind öffentlich einsehbar.
FANBOOST für den Extraschub
Ein FANBOOST gibt Anhängerinnen und Anhängern sogar die Möglichkeit, aktiv ins Renngeschehen einzugreifen. Dazu findet im Vorfeld jeder Formel-E-Veranstaltung eine sechstägige Online-Abstimmung statt. Fans können sich über die FANBOOST-Website, Twitter oder per Smartphone-App beteiligen. Die fünf Fahrer mit den meisten Stimmen erhalten einen Energieschub von 100 kJ als Bonus. Den können sie in der zweiten Rennhälfte nutzen, entweder für einen kurzen, aber kraftvollen Sprint oder etwas abgeschwächt über einen längeren Zeitraum. Das schafft Optionen für verschiedene Rennstrategien.
Überholen im Attack-Mode
Ein weiteres Element, das für bestes Motorsport-Spektakel sorgt, ist der eingangs beschriebene Attack-Mode. Per Knopfdruck schaltet der Fahrer das System scharf. Anschließend fährt er über sogenannte Aktivierungsstreifen auf der Rennstrecke. Trifft er alle, erhält der E-Motor für einen begrenzten Zeitraum zusätzliche 35 kW Leistung. Das verleiht Positionskämpfen noch mal mehr Dynamik. Der Attack-Mode ist praktisch der Ersatz für die früheren Fahrzeugwechsel, mit denen die Teams taktieren konnten.
Ein komplettes Formel-E-Event beschränkt sich überwiegend auf einen einzigen Tag, vorzugsweise Samstag. Vormittags gibt es zwei freie Trainings, mittags das Qualifying, am Nachmittag das Rennen. Ausgewählte Veranstaltungen der Formel-E-Saison kommen als Double-Header mit zwei Rennen pro Wochenende.
So läuft das Qualifying ab
Das Qualifying wird in vier Sechsergruppen ausgetragen. Die Gruppen werden nach dem aktuellen Punktstand der Fahrerwertung gebildet, sodass die ersten sechs in der ersten Gruppe fahren, die Plätze sieben bis zwölf in der zweiten Gruppe etc. Innerhalb von sechs Minuten muss jede Gruppe eine Zeit abliefern. In der optionalen Aufwärmrunde sind die Boliden im Rennmodus mit 200 kW unterwegs. Anschließend wird in den Quali-Modus mit 250 kW geschaltet, um die schnellste Runde abzuliefern.
Unabhängig von ihrer jeweiligen Gruppe kommt es für die sechs schnellsten Fahrer der Gruppenphase zu einem Shoot-out. Nacheinander fahren sie noch einmal um die Super Pole. Die Startpositionen sieben bis 24 ergeben sich derweil direkt aus der gruppenübergreifenden Reihenfolge.
Ende nach 45 Minuten
Um Energie zu sparen, verläuft der Rennstart ohne Einführungsrunde. Von der Aufstellung im sogenannten Dummy-Grid bis zum Startplatz sind es für die Rennwagen nur ein paar Meter. Die stellen aber sicher, dass alle Boliden wirklich startklar sind. Das Rennen selbst dauert dann 45 Minuten. Überquert der Führende die Ziellinie, wird noch eine Runde gefahren – dann ist Schluss. Weil man vorher nicht weiß, wie viele Runden letztendlich zusammenkommen, ist das Energiemanagement eine der zentralen Herausforderungen.
Meisterschaftspunkte gibt es für die Plätze eins bis zehn. 25 Punkte bringt ein Formel-E-Sieg, Platz zehn immerhin noch einen. Darüber hinaus kann man Bonuspunkte holen: drei etwa für die Pole Position, einen für den schnellsten Fahrer der Gruppenphase, einen für die schnellste Rennrunde. Letzteres allerdings nur, sofern die Fahrerin oder der Fahrer auf einem der ersten zehn Plätze landet. Im Optimalfall streicht ein Pilot 30 Punkte pro Renntag ein.
Spannung verspricht die elektrisierende Rennserie allerdings nicht nur durch den Kampf um die Formel-E-WM. Als Schauplatz der Innovation demonstriert sie jede Saison aufs Neue, was Elektromobilität zu leisten im Stande ist. Und das beeindruckt nicht nur das Videospiel-affine Publikum.