Ein-Gang-Getriebe als Alleskönner: Warum Elektroautos keine Gangschaltung brauchen
Elektroautos sind meist mit einem Ein-Gang-Getriebe ausgestattet. Warum das notwendig und ausreichend ist und wo ein zweiter Gang dennoch Sinn machen könnte, erklären wir hier.
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- ID.3 Pro Performance: Stromverbrauch in kWh/100 km: kombiniert 13,5-12,9; CO2-Emission in g/km: kombiniert 0; Effizienzklasse: A+++. ID.3 Pro S: Stromverbrauch in kWh/100 km: kombiniert 13,7-13,1; CO2-Emission in g/km: kombiniert 0; Effizienzklasse: A+++. Bildliche Darstellungen können vom Auslieferungszustand abweichen. Fahrzeugabbildung zeigt Sonderausstattung.
Elektroautos sind meist mit einem Ein-Gang-Getriebe ausgestattet. Warum das notwendig und ausreichend ist und wo ein zweiter Gang dennoch Sinn machen könnte, erklären wir hier.
Ganz ohne Gangschaltung? Elektroautos …
- … erreichen stufenlos ihre Höchstgeschwindigkeit.
- … benötigen nicht einmal einen gesonderten Rückwärtsgang.
- … könnten durch einen zweiten Gang an Reichweite gewinnen.
Pedal durchtreten, Gang einlegen, Kupplung langsam kommen lassen: Was in der Fahrschule für so manche Schweißausbrüche sorgte, nimmt im regulären Straßenverkehr stetig ab. Immer weniger Menschen nutzen eine manuelle Schaltung. Stattdessen setzen sie auf Automatik oder deren Weiterentwicklung: Direktschaltgetriebe, wie Volkswagen sie einsetzt. 2020 machten Fahrzeuge mit Automatik-Getriebe bereits rund 50 Prozent der Neuzulassungen aus – Tendenz steigend. Inzwischen haben acht Übersetzungsstufen oder mehr den Fahrkomfort zunehmen und den Spritverbrauch sinken lassen. Dass noch weitere Stufen hinzukommen, scheint angesichts der boomenden E‑Mobilität jedoch fraglich: E-Autos sind meist mit einem einzigen Gang unterwegs.
Der Blick auf den Schalthebel eines Elektroautos offenbart noch keine Besonderheit. Wie beim Verbrenner mit Automatikgetriebe steht das „P“ dort für Parken, „R“ für Rückwärtsfahren, „N“ (neutral) für Leerlauf. Wer nach dem Motorstart auf „D“ stellt, also „Drive“, kann sein Fahrzeug in Bewegung setzen. Ziemlich zügig und bis in hohe Geschwindigkeiten hinein.
Und hier unterscheiden sich E-Autos von Dieseln und Benzinern. Grundsätzlich ergibt sich die Leistung eines Autos aus Drehmoment und Drehzahl des Motors. Bei herkömmlichen Verbrennungsmotoren nimmt das Drehmoment mit steigenden Umdrehungen zu und später wieder ab. Die maximale Kraft steht nur in einem bestimmten Drehzahlbereich zur Verfügung. Durch ein Wechseln der Gänge, egal ob mit manuellen Getrieben oder Automatikgetrieben, lässt sich die Motordrehzahl in verschiedenen Fahrsituationen einigermaßen konstant halten. Die unterschiedlichen Übersetzungsverhältnisse des Getriebes ermöglichen dabei die passende Kraftübertragung des Verbrennungsmotors. Niedrige Gänge etwa erlauben ein kraftvolles Anfahren, hohe ein schnelles Fahren bei mittlerer Drehzahl.
E-Autos: Kein Schalten vom Anfahren bis zum Topspeed
Anders ist es bei Elektroautos. Der elektrische Antrieb bringt sein hohes Drehmoment schon beim Anfahren auf die Straße und hält es über ein breites Drehzahlband hinweg. Die Kraftübertragung ist demnach sowohl bei niedrigen als auch bei hohen Drehzahlen ausreichend für die jeweilige Fahrsituation. Vom sportlichen Anfahren bis zum Erreichen der Höchstgeschwindigkeit ist keine Schaltunterbrechung notwendig. Und beim Rückwärtsfahren? Braucht ein Elektroauto ebenfalls keinen gesonderten Gang. Mittels Leistungselektronik ändert der E-Motor einfach seine Drehrichtung.
Die maximalen Drehzahlen von Elektromotoren können pro Minute bei 15.000 Umdrehungen und darüber liegen. Eine starre Verbindung zwischen Motor und Antriebswelle wäre theoretisch möglich, die Drehzahl aber kaum zu bändigen. Daher setzen viele Autobauer auf ein Untersetzungsgetriebe. Dieses Ein-Gang-Getriebe verringert die Drehzahl des Motors meist um den Faktor zehn. Für zehn Umdrehungen des Rotors an der Antriebsmaschine dreht sich die Antriebswelle im Fahrzeug einmal.
Auch Volkswagen setzt in seinem ID.3 auf ein Ein-Gang-Getriebe. Aus Platzgründen sind darin zwei kleinere Zahnräder statt eines großen verbaut. Das Getriebe an sich besteht aus wenigen Komponenten, was einerseits gut für die Wartung ist und andererseits Gewicht spart. Das wirkt sich positiv auf die Reichweite des Autos aus.
Zweigang-Getriebe für höhere Reichweite
Eine höhere Reichweite ist auch einer der Gründe, die für einen zweiten Gang im Elektroauto sprechen könnten. Der Getriebehersteller ZF hat 2019 einen Zwei-Gang-Elektroantrieb mit verbessertem Wirkungsgrad präsentiert. Jedes Prozent Effizienz im Wirkungsgrad soll laut dem Zulieferer in bis zu zwei Prozent mehr Reichweite münden. Im Vergleich zu einem einstufigen Aggregat ist demnach eine Reichweitenerhöhung von bis zu fünf Prozent drin.
Bislang mussten sich Fahrzeughersteller bei elektrischen Antrieben zwischen einem hohen Anfahrdrehmoment und einer höheren Endgeschwindigkeit entscheiden. Bei zwei Gängen wäre der erste Gang für den Sprint, der zweite für das Erreichen der Höchstgeschwindigkeit gedacht. Zudem würde sich das Auto damit besser als Zugfahrzeug eignen.
Gangwechsel kann Energie sparen
Bei ca. 70 km/h würde der Gangwechsel erfolgen. Denkbar sind aber auch andere Szenarien für die Schaltstrategie, etwa die Verknüpfung mit digitalem Kartenmaterial und GPS. Anhand der Navi-Route würden die E-Autos die nächste Ladestation erkennen und, sollte die Energie im Akku knapp werden, bei Bedarf einen ökonomischeren Fahrmodus wählen. Ein intelligenter Gangwechsel je nach Topographie ist ebenfalls denkbar.
Autobauer könnten den höheren Wirkungsgrad des Zwei-Gang-Getriebes auf zwei Arten nutzen. Bleiben sie bei der ursprünglichen Batteriegröße, wird die Reichweite erhöht. Andernfalls könnten Hersteller einen kleineren Akku wählen und dadurch Platz und Gewicht im Auto sparen.
Eine Reichweitensteigerung im einstelligen Prozentbereich sei allerdings nicht genug, wenden Kritiker ein. Schließlich liegen die Kosten des komplexeren Getriebes über denen eines normalen Ein-Gang-Getriebes. Berücksichtigen sollte man aber auch das jeweilige Modell. Muss der Akku in einem größeren Fahrzeug nur 95 statt 100 kWh haben, macht sich das deutlicher bemerkbar als bei einem Kleinwagen mit 20 kWh.
Im zweiten Gang auf 260
Bei einigen elektrischen Nutzfahrzeugen ist eine Gangschaltung bereits üblich. Und dort, wo es um höchste Performance geht, macht sie ebenfalls Sinn. Einer der beiden Elektromotoren im Porsche Taycan etwa ist an ein zweistufiges Getriebe gekoppelt. Im ersten Gang katapultiert sich der Supersportler innerhalb weniger Sekunden auf 100 Stundenkilometer, im zweiten erreicht er seine Höchstgeschwindigkeit.