2009 Grafite und Edin Dzeko umarmen und freuen sich.

Grafite und Dzeko: Ein vertrautes Stürmerpaar in torreicher Perfektion

Wie nennt man es, wenn man dem anderen blind vertraut? Wenn man weiß, was der andere denkt und was er tut? Wenn man durch Höhen und Tiefen geht und gemeinsam stärker wird? Und wenn man sich immer aufeinander verlassen kann?

Vielleicht nennt man es Liebe, vielleicht Freundschaft, vielleicht ist es auch einfach nur ein Geschenk. Bei Grafite und Dzeko passte es, zwei Stürmer, zusammen 54 Tore in einer Saison, am Ende Deutscher Meister.

Dabei beginnt alles ohne großen Zauber. 2007 wechselt der damals frischgebackene Nationalspieler Edin Dzeko nach Wolfsburg. Mit seinen 21 Jahren hat der junge Bosnier bereits ein bewegtes Leben hinter sich. Er ist gerade sechs Jahre alt, als auf dem Balkan der Bürgerkrieg ausbricht. „Die Angst war immer dabei“, sagt Dzeko später. Mit 18 Jahren kommt er raus aus Bosnien, wechselt in die tschechische Provinz nach Teplice. Wolfsburgs Trainer Felix Magath erkennt das Potenzial des hochbegabten Stürmers und verpflichtet den Nobody.

Ebenfalls 2007 kommt ein Brasilianer nach Wolfsburg. Mit 28 Jahren deutlich älter als Dzeko, doch genauso ein Nobody. Eine erste Gemeinsamkeit. Edinaldo Batista Libânio, heute nur als Grafite bekannt, kennt als Kind nur Armut. Bis zu seinem 21. Geburtstag kickt er in der fünften Liga Brasiliens, verkauft dazu Mülltüten an den Haustüren seines Heimatortes Campo Limpo, um zu überleben. Seine Liebe zum Fußball lässt ihn weitermachen. 2006 schafft er den Sprung nach Europa, spielt sich im französischen Le Mans auf Magaths Wunschzettel.

Grafite, ein bulliges Muskelpaket, der Fußball arbeitet, daneben der schlaksige Dzeko, mit Talent, Technik und Schnelligkeit gesegnet. „Die beiden sind unterschiedlich, aber genau deswegen ergänzen sie sich auch so gut. Das macht die beiden aus“, sagt Magath seinerzeit. In ihrer ersten gemeinsamen Saison lassen sie erahnen, was möglich ist. Grafite macht elf Tore, Dzeko acht.

Die Spielzeit 2008/09 wird eine historische. Beide harmonieren immer besser, die Laufwege stimmen, sie ergänzen sich. Grafite erklärt: „Wir haben eine ähnliche Persönlichkeit. Wir verstehen uns auch außerhalb des Platzes sehr gut. Und auf dem Platz passt es sowieso.“ Für den deutlich jüngeren Dzeko ist sein Partner ein Geschenk: „Wenn Grafite dabei ist, ist alles leichter, dann kann ich ohne Druck spielen. Für meine Entwicklung ist es sehr gut, wenn er mir die Aufmerksamkeit abnimmt.“

In dieser Saison bekommen beide jede Menge Aufmerksamkeit. Nach durchwachsener Hinrunde läuft danach einfach alles. Der VfL startet eine Serie mit zehn Siegen in Folge, Grafite und Dzeko treffen fast nach Belieben. Ein Bosnier und ein Brasilianer, die eine Sprache sprechen, auf dem Platz so harmonisch wie ein Liebespaar. „Edin ist ein guter Junge und ein ganz starker Stürmer. Mit ihm zusammen ist es eine Freude zu spielen. Es ist viel leichter für mich, weil er mindestens genauso gut spielt“, so Grafite damals liebevoll.

Sie treffen und treffen – ein Duo im Einklang. Aber an die Meisterschaft will keiner so recht denken. Noch nicht. Am 26. Spieltag ist der FC Bayern zu Gast. Der VfL gewinnt 5:1. Dzeko trifft doppelt, Grafite auch. Sein Super-Zauber-Hacken-Solo wird Tor des Jahres und geht in die Geschichte ein. Jetzt glaubt der VfL auch an den Titel. Und Trainer Felix Magath weiß, warum: „Edin und Grafite sind einfach phänomenal, sie sind ein Stürmerpaar, das den Unterschied macht.“

Und sie verhelfen sich zum Erfolg. Durch ihr blindes Verständnis legen sie sich die Tore gegenseitig auf: Dzeko bereitet in der Saison sechs Tore vor, die letzten drei jeweils für Grafite. Und der Brasilianer schenkt drei seiner fünf Torvorlagen seinem bosnischen Kumpel. Unerwähnt bleiben darf in diesem Zusammenhang natürlich auch nicht Dzekos bosnischer Landsmann Zvjezdan Misimovic. Der damalige Spielmacher des VfL lenkte die Offensive der Wolfsburger und setz das Sturmduo mit seinen Pässsen immer wieder genial ein.

Am letzten Spieltag muss zum Titel ein Sieg gegen Bremen her. Wieder wird’s ein 5:1. Zwei Tore von Grafite, eins von Dzeko. Deutscher Meister. Danach liegen sich die beiden Superstürmer in den Armen, können ihr Glück kaum fassen. Auch weil sie einen Uralt-Rekord brechen konnten: Zusammen erzielen sie in der Saison 54 Tore (Grafite 28, Dzeko 26). Damit lösen sie die Bayern-Legenden Gerd Müller und Uli Hoeneß ab, die 1971/72 und 1972/73 gemeinsam jeweils 53 Tore erzielten.

„Wir beide waren uns im Klaren darüber, dass wir diese Marke knacken konnten, aber eigentlich ist es doch unglaublich“, kann es Dzeko hinterher kaum fassen, was er und sein Partner da angestellt hatten. Und Grafite fasst es perfekt zusammen: „Wir sind das perfekte Paar.“

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