Duell der Nachbarn
Deutschland spielt in der Nations League gegen die Schweiz. Eine Partie, die das Wort Traditionsduell verdient: Gegen keine Nation spielte die DFB-Elf häufiger, oft waren es außergewöhnliche Matches. Ein Überblick der denkwürdigsten Duelle.
Bitterer Tag für ter Stegen
26. Mai 2012, Basel,
Freundschaftsspiel, 5:3
Dieser Tag wird Marc-André ter Stegen noch lange in Erinnerung bleiben. Ganz Fußball-Deutschland ist klar, dass hier ein Weltklasse-Torwart heranwächst. Schon mit 18 sicherer Rückhalt bei Borussia Mönchengladbach. Im Jahr darauf nun das Debüt in der A-Nationalmannschaft. Ein kleines Fußballmärchen, bis hierhin. Denn im Vorfeld der EM 2012 gibt Jogi Löw in Basel einigen Spielern aus der zweiten Reihe die Chance – und gerade defensiv zeigt der damalige Vizeweltmeister gegen motivierte Schweizer eine bescheidene Leistung, ter Stegen inklusive. Seine Wut lässt der Keeper am Pfosten aus. Weil auch der Schweizer Torhüter Diego Benaglio nicht den sichersten Eindruck macht, können sich die Zuschauer im St. Jakob-Park über acht Tore freuen. Fünf Stück kassiert ter Stegen, nicht alle sind unhaltbar. Allein Eren Derdiyok trifft dreifach. Jogi Löw nominiert daraufhin Ron-Robert Zieler als dritten Torwart für die EM-Endrunde, ter Stegen bleibt zu Hause. Acht Jahre später ist er Stammtorwart beim FC Barcelona, Zieler dagegen bei Zweitligist Hannover 96 aussortiert und künftig wohl Ersatztorwart beim 1. FC Köln. Derdiyok spielt übrigens mittlerweile in Usbekistan.
Erstes Länderspiel,
erste Niederlage
5. April 1908, Basel,
Freundschaftsspiel, 5:3
Die glorreiche Geschichte der Nationalmannschaft beginnt am 5. April 1908 – mit einer Niederlage gegen die Schweiz. Das erste Spiel – damals als „freundschaftlicher Länderkampf“ tituliert – findet ebenso wie die bisher letzte Begegnung in Basel statt. Auch das Ergebnis ist das gleiche: 3:5 aus Sicht der Deutschen. Dabei bringt Fritz Becker die Reichsmannschaft sogar in Führung. Doch Hans Kämpfer von den Young Boys Bern, der Magdeburger Ernst Jordan per Eigentor und Siegfried Pfeiffer vom FC Basel machen daraus zur Pause ein 3:1. Die Halbzeitführung lassen sich die erfahrenen Schweizer – immerhin schon zwei Länderspiele auf dem Konto – nicht mehr nehmen. Fritz „Frieder“ Förderer aus Karlsruhe und Becker bringen die Deutschen noch mal ran, aber erneut Pfeiffer und ein gewisser Kämpfer machen den ersten Länderspielsieg der Eidgenossen klar.
Erstes Spiel nach dem
Ersten Weltkrieg
27. Juni 1920, Zürich,
Freundschaftsspiel, 4:1
Nach dem Ersten Weltkrieg wird das Deutsche Reich auf internationaler Ebene gemieden. Das juckt die Schweiz nicht, sie bitten den Nachbarn trotzdem zum freundschaftlichen Ländervergleich, was international für Kritik sorgt. 8.000 Zuschauer sehen im Züricher Utogrund ein einseitiges Spiel, die Eidgenossen dominieren. Nach Karl Meyers Doppelschlag sowie Treffern von Robert Afflerbach und Rudolf Ramseyer führt die Heimmannschaft mit vier Toren. Die deutsche Elf agiert nicht mit letzter Entschlossenheit, man will sich an diesem historischen Tag von seiner freundschaftlichsten Seite zeigen. „Wir verzichteten im entscheidenden Moment lieber auf den Ball, nur um einen möglichen Zusammenprall aus dem Weg zu gehen“, gibt Nürnbergs Mittelläufer Hans Kalb zu Protokoll. Immerhin gelingt Adolf Jäger aus Hamburg der Ehrentreffer. Endstand: 4:1. Wichtiger als das Ergebnis ist der Symbolcharakter: Deutschland ist zurück auf der internationalen Sportbühne.
115.000 Fans auf Holztribünen
22. November 1950, Stuttgart,
Freundschaftsspiel, 1:0
Wenn ein Freund jemand ist, der einem auch in schweren Zeiten beisteht, dann ist die Partie Schweiz gegen Deutschland so etwas wie der Inbegriff des Freundschaftsspiels. Denn nach dem Zweiten Weltkrieg – Deutschland ist wieder einmal international isoliert – sind es erneut die Schweizer, die ihren Nachbarn zurück auf die internationale Sportbühne hieven. Fünf Jahre nach Kriegsende ist das Zuschauerinteresse beim ersten Länderspiel in der Bundesrepublik gewaltig. 70.000 Zuschauer sollten offiziell ins Stuttgarter Neckarstadion passen. Doch mithilfe von zusammengezimmerten Holztribünen sehen schätzungsweise 115.000 Fans das Spiel. Das hat Folgen: Im Gedränge verletzen sich 23 Zuschauer schwer und 60 leicht. Sportlich passiert nicht viel, das Tor des Tages erzielt Herbert Burdenski per Strafstoß. Mit Toni Turek im Kasten sowie Ottmar Walter und Max Morlock im Sturm finden sich einige Namen in der Aufstellung, die vier Jahre später das „Wunder von Bern“ vollbringen sollten.
Kantersieg der
Wiedervereinigten
19. Dezember 1990, Stuttgart,
Freundschaftsspiel, 4:0
Auch 1990 treffen Deutschland und die Schweiz aufeinander. Dabei tragen erstmals auch frühere DDR-Spieler das DFB-Trikot. Gegen den amtierenden Weltmeister, verstärkt durch Matthias Sammer und Andreas Thom, stehen die Schweizer auf verlorenem Posten. Schon in der ersten Minute markiert Rudi Völler das 1:0 , nach verschossenem Elfmeter von Jürgen Klinsmann trifft Karl-Heinz Riedle zum 2:0. Damit ist die Messe gelesen und es bleibt Zeit für Fußballhistorie: Thom macht mit dem 3:0 das erste Tor eines früheren DDR-Spielers für die Nationalelf der Bundesrepublik. Den Schlusspunkt setzt Lothar Matthäus. Ein denkwürdiges Spiel.