Ali Krieger, US Soccer, Women's Soccer

„Finde einen Weg, dich selbst herauszufordern“

„Finde einen Weg, dich selbst herauszufordern“

US-Nationalspielerin Ali Krieger ist eine der besten Abwehrspielerinnen der Welt und eines der bekanntesten Gesichter des US-Fußballs. Ein Interview über die Entwicklung des Frauenfußballs, ungleiche Bezahlung und schonungslose deutsche Ehrlichkeit.

Sie sind Amerikanerin, haben aber einige Jahre in Deutschland für den 1. FFC Frankfurt gespielt: Was könnte die eine Kultur von der anderen lernen?

Ali Krieger: In den fünfeinhalb Jahren, die ich in Deutschland gelebt habe, habe ich die Ehrlichkeit meiner deutschen Freunde und Teamkolleginnen schätzen gelernt. Wenn ich im Spiel einen Fehler gemacht habe, gab es von meinen Mitspielerinnen nicht unbedingt ermutigende Worte, so wie es bei uns in den USA üblich ist. Hier sagt man: ‚Guter Versuch, das nächste Mal klappt es besser‘. In Deutschland hieß es zwar mit Respekt, aber doch sehr direkt: ‚Das ist nicht gut genug, das muss besser werden.‘ Mir gefiel das, es hat mich angespornt. Die Deutschen sind einfach ehrlich, geradlinig und bringen die Sache unverblümt auf den Punkt. Amerikaner reden dagegen gerne um den heißen Brei herum. Man will ja nett sein.

Auf der anderen Seite hatte ich in Deutschland den Eindruck, dass meine Teamkolleginnen, wenn sie etwas nicht perfekt konnten, es gar nicht erst versucht haben. Dabei kann man doch jeden Tag versuchen, ein Stück besser zu werden. Auf dem Weg zur Perfektion ist es doch okay, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen. Auch von der amerikanischen Siegermentalität könnten sich die Deutschen noch eine Scheibe abschneiden. Wenn wir bei Spielen mit Frankfurt mal in Rückstand geraten sind, was damals nicht so oft vorkam, hat das unsere Mentalität negativ beeinflusst. Wir Amerikaner hingegen sind so veranlagt, dass wir unabhängig vom Ergebnis jede Minute eines Spiels daran glauben, dass wir gewinnen werden.

Und abseits des Fußballplatzes?

Amerika könnte sich ein Beispiel am deutschen Ruhetag, dem Sonntag, nehmen. Ich finde das sehr nachahmenswert – die Möglichkeit, herunterzukommen, die Batterien aufzuladen, einen Tag mit der Familie zu haben, abzuschalten und sich dann auf die Woche vorzubereiten. Außerdem gefällt mir, wie pragmatisch die Deutschen Probleme lösen. Da können wir Amerikaner noch einiges lernen.

Wie würden Sie den Unterschied zwischen der Frauen-Bundesliga und der National Womenʼs Soccer League beschreiben?

Die Spiele der Frauen-Bundesliga sind ein bisschen gemächlicher, aber die Spielerinnen sind technisch viel versierter. In den USA habe ich das Gefühl, dass wir einfach rennen, wir sind sehr athletisch und legen überall auf dem Feld ein hohes Tempo vor. In Deutschland wurde mehr Wert auf Technik und Taktik gelegt.

Nicht nur im Sport werden Frauen oftmals schlechter bezahlt als Männer. Woran liegt das?

Gute Frage. Ich denke, es liegt daran, dass die meisten Positionen mit Macht und Einfluss von Männern besetzt sind. Solange Frauen nicht in diese männerdominierten Positionen gelangen, etwa in Verbänden, wird sich das nicht ändern. Aber wir brauchen auch mächtige Männer – aufrechte, respektierte Männer –, die Frauen unterstützen, ermutigen und sie in diese einflussreichen Positionen bringen, damit das Lohngefälle ein Ende hat und wir so bezahlt werden, wie wir es verdienen.

Es ist ein Kampf. Aber der Kampf lohnt sich, denn wir sehen kleine Fortschritte. Wir müssen unsere Foren – Spiele und Veranstaltungen, dort wo wir sichtbar sind – nutzen, um etwas zu bewirken. Und wir müssen laut sein. Dazu müssen wir kollektiv und geschlossen auftreten – mit anderen Teams, Organisationen, Schauspielerinnen, der Me-Too-Bewegung und der Timeʼs-Up-Bewegung. Wir müssen als Gruppe zusammenfinden, um wirkliche Schlagkraft zu entwickeln und das Gespräch fortzusetzen. Und das gilt für alle Bereiche! Nicht nur für den Fußball.

In den letzten Jahren gab es, vor allem in Amerika, große Kontroversen über politische Meinungsäußerungen im Sport. Kommt Sportlern in der politischen Diskussion eine besondere Rolle zu?

Ja, kommt sie. Veränderungen geschehen nicht, indem man einfach weitermacht wie bisher. Sportler sind in einer idealen Position, um sich Gehör zu verschaffen, denn Sport bringt Menschen zusammen. Sport diskriminiert nicht.

Ich denke, wir haben in der politischen Diskussion schon wirklich etwas bewirkt und unsere Stimme erhoben. Das war besonders bei der jüngsten Präsidentschaftswahl in den USA der Fall. Als Sportler haben wir versucht, das so weit wie möglich zum Thema zu machen und die Leute dazu zu bringen, wählen zu gehen.

Ihre Hochzeit mit Ihrer Mitspielerin Ashlyn Harris hat in den Medien viel Aufmerksamkeit erregt. War es Ihnen als öffentliche Person wichtig, eine öffentliche Hochzeit zu haben?

Ja und nein. Man glaubt es vielleicht nicht, aber ich bin eigentlich ein eher zurückhaltender Mensch. Aber Ash und ich wollten unsere Hochzeit sichtbar machen, weil Sichtbarkeit in heutigen Zeiten so wichtig ist, besonders in unserer LGBTQ-Community. Und ich glaube, es bestärkt viele junge Menschen, wenn sie sehen, dass es etwas ganz normales ist, wenn zwei Frauen heiraten.

Ich habe so etwas als Kind nie gesehen. Bis zum College habe ich nicht einmal gewusst, dass zwei Frauen zusammen sein können. In der Presse und im Internet war das kein Thema. Ich freue mich, dass wir heiraten konnten. Wir haben es öffentlich gemacht, weil wir es sichtbarer und normaler machen wollten: Das ist das Leben, es gibt so etwas, es ist akzeptiert und erlaubt.

Sie haben einige schwere Verletzungen überstanden. Was können andere von Ihren persönlichen Herausforderungen lernen?

Das war jedes Mal herausfordernd und kräftezehrend, sowohl körperlich als auch mental. Aber meine Einstellung ist es, dass ich mir kleine Ziele setze und jeden Tag besser werde. Ich schaue nicht unbedingt auf das große Ziel, das noch Jahre entfernt ist. Ich denke, es ist wichtig, es Schritt für Schritt anzugehen, Tag für Tag und Woche für Woche, und sich wirklich kleine Ziele vorzunehmen. Es ist auch wichtig, sich mit Leuten zu umgeben, die einen anspornen, besser zu werden, und einen nicht herunterziehen. Außerdem sollte man sich nicht mit den Verletzungen und dem Genesungsprozess anderer Leute vergleichen.

Welchen Rat würden Sie jungen Fußballerinnen geben?

Ich denke, es ist wirklich wichtig, sich nicht zu vergleichen. Egal, um was es geht. An die Spitze führen viele Wege. Ich bin einen ganz anderen Weg gegangen als meine Kolleginnen aus der Nationalmannschaft. Und wir alle haben es an die Spitze geschafft, weil wir hart gearbeitet, vollen Einsatz gebracht haben und entschlossen waren.

Mein Rat ist daher: Finde einen Weg, dich selbst herauszufordern und dich in Situationen zu begeben, die schwierig oder unangenehm sind. So wirst du nicht nur als Mensch, sondern auch als Fußballerin wachsen. Als ich seinerzeit nach Frankfurt gewechselt bin, haben dort zahlreiche deutsche Nationalspielerinnen gespielt. Anfangs saß ich in der Kabine mit all diesen Größen und dachte: ,„Wow, die sind so viel besser als ich!“

Genau deshalb bin ich selbst besser geworden. Und so bin ich gewachsen. So habe ich es in die US-Nationalmannschaft geschafft und bin auf dem höchsten Niveau geblieben. Vergleiche also nicht deinen Weg mit dem anderer. Es kann sein, dass du am Ende dasselbe Ziel erreichst. Nur dein Weg war anders.