„Wer Rassismus deckt, ist Teil des Problems“
„Wer Rassismus deckt, ist Teil des Problems“
Fremdenfeindlichkeit, Hass und Diskriminierung machen auch vor dem Fußball nicht Halt. Nationalspieler Antonio Rüdiger spricht über seine Erwartungen an die Fußballfamilie, die Rolle der Sozialen Medien und was für eine Gesellschaft er sich für seinen Sohn wünscht.
Herr Rüdiger, Sie haben im Frühjahr sehr deutliche Worte gefunden, um den Rassismus im Fußball zu thematisieren. Unter anderem sagten Sie: „Manche Leute können damit leben. Dann haben wir verloren.“ Und Sie haben auch den Vorwurf formuliert: „Ich erwarte mehr von den Verbänden.“ Was hat Sie damals so aufgebracht?
Im Spiel von Chelsea bei Tottenham war ich rassistisch attackiert worden. Ich hatte damals unseren Kapitän César Azpilicueta informiert, der meldete es dem Schiedsrichter, es gab Durchsagen. Aber am Ende wurde niemand gefunden und ich stand gegenüber den gegnerischen Fans irgendwie als Lügner da. Das war für mich ein Zeichen. Ich weiß, was ich gehört habe. Das Spiel fand noch vor Ausbruch der Pandemie im neuen Spurs-Stadion statt, vor mehr als 60.000 Zuschauern. Aber keiner hatte die Courage, den Vorfall zu melden. So meine ich das, wenn ich sage: Dann hat man verloren. Wenn Menschen rassistisch angegriffen werden, erlebt man komischerweise nur sehr selten Zivilcourage bei den Leuten drumherum.
Sie sind schon lange Profi. Wie war es damals, als Sie noch beim VfB Stuttgart gespielt haben? Ist der Rassismus im Fußball heute schlimmer? Oder ist er zumindest etwas zurückgegangen?
Um ehrlich zu sein, ist es meines Erachtens schlimmer geworden. In Stuttgart damals habe ich da nie etwas erlebt, auch während meiner Jahre als Juniorenspieler so ab 2005 in Berlin gab es keinen Vorfall. Als ich nach Italien ging, wurde es dann schon schlimmer.
Wie erklären Sie sich diesen wachsenden Rassismus in den Stadien?
Auf Social Media findet man so viele Beleidigungen. Das Internet ist anonym, da gibt sich jeder, wie er will. Das ist alles im Grunde grenzenlos. Und im Stadion, da weiß ich einfach nicht, was einen Menschen reitet, solche Laute von sich zu geben. Oder andere Menschen rassistisch zu beleidigen. Da fehlen mir die Erklärungen.
Ich mache keine Unterschiede zwischen Schwarz oder Weiß. Für mich zählt nur: Ist es ein guter oder ein schlechter Mensch?Antonio Rüdiger
Wenn wir über Rassismus sprechen, egal ob in England oder Deutschland, gibt es ja einerseits die radikalen Rassisten und Nazis; verwirrte, verhärtete Menschen, auch dumme Menschen, die es überall auf der Welt gibt und wahrscheinlich immer geben wird. Dann gibt es die, die beschwichtigen und alles kleinreden. Die wegschauen, wenn etwas passiert. Was ist hier Ihre Botschaft an diese Gruppe von Fußballfans?
Für diese Leute habe ich ganz klare Worte: Sie sind Mittäter, ganz einfach. Meines Erachtens sollten diese Leute mitbestraft werden. Wer Rassismus deckt oder schweigend toleriert, der ist auch Teil des Problems.
Haben Sie nach Ihrem Interview viele Leute angesprochen?
Ja, dafür habe ich viele positive Rückmeldungen bekommen. Aber ganz ehrlich, das hilft mir nicht. Ich spreche dieses Thema doch nicht an, um Aufmerksamkeit für mich zu bekommen. Ich will das Thema aber natürlich in aller Deutlichkeit ansprechen, dagegen ankämpfen und mich nicht verstecken. Ich will einfach frei sein! Ich will akzeptiert werden, wie ich bin! Ohne Vorurteile, so wie andere Menschen auch! Ich selbst mache in meinem Leben keine Unterschiede zwischen Schwarz oder Weiß. Für mich zählt nur: Ist es ein guter oder ein schlechter Mensch?