Alexandra Popp

Alexandra Popp vor dem Pokalfinale: „Natürlich schaffen wir es!“

Alexandra Popp vor dem Pokalfinale: „Natürlich schaffen wir es!“

Alexandra Popp vom VfL Wolfsburg gewann neunmal den DFB-Pokal, zuletzt sogar sechsmal in Folge. Es ist IHR Wettbewerb. In diesem Jahr aber muss sie mit einer schweren Knieverletzung passen. Im Interview vor dem Endspiel ihres Teams gegen Eintracht Frankfurt gibt sich die Kapitänin trotzdem kämpferisch, spricht über emotionale Finals, die Entwicklung des Frauenfußballs und ein mögliches Comeback als Tierpflegerin nach der Karriere.

Frau Popp, sechs Pokalsiege in Folge mit dem VfL stehen in Ihrer Vita, in diesem Jahr müssen Sie nach Ihrer schweren Knieverletzung passen. Schaffen es Ihre Kolleginnen auch ohne den Pokal-Profi Popp?

Natürlich schaffen wir es, daran glaube ich ganz fest. Wir haben ein tolles Team, alle Spielerinnen sind hungrig darauf, den Pokal nach Wolfsburg zu holen.

Die Reise nach Köln wird sicher so kurz nach der OP schwierig. Von wo aus drücken Sie die Daumen?

Ich hoffe, dass ich im Stadion dabei sein kann.

Was ist das Spezielle am Pokal für Sie?

K.o.-Spiele sind etwas ganz Besonderes. Da geht es um Kleinigkeiten, auch um die mentale Stärke. In diesen Spielen erkennt man, ob eine Mannschaft zu Recht erfolgreich ist, wenn sie es immer wieder schafft, in den wichtigen Momenten abzuliefern.

Apropos mentale Stärke: Ist sie nach Ihrer schweren Verletzung jetzt mehr gefragt denn je?

Man lernt durch Verletzungen immer wieder Neues, von daher ist es natürlich schon wichtig, mental stabil zu sein und sich nicht hängen zu lassen. Es geht immer weiter und ich werde hart arbeiten.

Ihre Pokalkarriere ist voller Höhepunkte und natürlich voller Titel. Ihr erstes Finale spielten Sie 2009 mit Duisburg, es war das letzte Frauen-Endspiel, das im Berliner Olympiastadion ausgetragen wurde. Wie haben Sie dieses Erlebnis als junge Spielerin empfunden?

Das war meine erste Saison in einem Bundesligateam, schon allein deshalb war es ein ganz besonderes Erlebnis. Dazu noch das riesige Olympiastadion, das mich als junge Spielerin extrem beeindruckt hat. Was vielleicht gefehlt hat, waren die Zuschauer, weil die Frauen damals ja noch das Vorprogramm zum Männerfinale waren und die Fans der Männerteams erst so ab der 70. Minute ins Stadion kamen.

2010 spielten Sie mit Duisburg zum ersten Mal in Köln im eigenständigen Frauenfinale. Ein Meilenstein für die Entwicklung des Frauenfußballs in Deutschland?

Das war sicher ein wichtiger Schritt, gegen Jena war es auch ein spannendes Finale. Es waren über 26.000 Zuschauer dabei und man wusste, dass die Fans diesmal auch speziell für den Frauenfußball gekommen sind. Ein großer Meilenstein und für mich auch ein Highlight.

Was macht das Finale in Köln für Sie so speziell?

Die Stadt Köln macht das sehr gut, vor dem Finale organisieren sie ein riesen Sportfest, da fühlt man sich sehr wohl. Für uns Spielerinnen ist das mittlerweile alles gewohnt, wir kennen die Abläufe, man weiß, wo was stattfindet, das erleichtert alles enorm.

Beim Sieg 2017 zeigten Sie der Schiedsrichterin den Vogel und flogen mit Rot vom Platz. Warum waren Sie so wütend?

Laura Feiersinger hat den Ball, sie kreuzt mich, ich gehe sogar noch zurück, damit ich sie eben nicht umniete. Sie fällt aber trotzdem. Die Schiedsrichterin pfeift Foul und gibt mir dazu die Gelbe Karte. Ich konnte es einfach nicht glauben, weil ich sie absolut nicht berührt habe. Und da ist mir diese Geste herausgerutscht.

Man sieht Sie zwar emotional auf dem Platz, aber so einen Kontrollverlust kennt man von Ihnen nicht.

Im Nachhinein war ich schon etwas erschrocken über mich selbst. In der Kabine habe ich erst mal eine Mülltonne kaputtgetreten, weil ich mich so über mich selbst geärgert habe. So eine Geste darf nicht passieren und wird mir bestimmt auch nicht wieder passieren.

In der aktuellen Pokal-Saison mussten Sie im Halbfinale den FC Bayern aus dem Weg räumen. Der war bis dahin ungeschlagen. Warum waren die Münchnerinnen an dem Tag fällig?

Es ist sicher nicht unsere konstanteste Saison, aber wir haben weiterhin hohe Qualität auf dem Platz. Wir sind kurz davor in der Champions League ausgeschieden, da haben uns dann viele schon abgeschrieben und sprachen von einer Wachablösung. Aber genau das macht unser Team aus, dann auch wieder zurückzuschlagen.

Ein Rückschlag ist definitiv auch Ihr Ausfall. Wie können Sie als Kapitänin jetzt noch auf Ihr Team einwirken und es vielleicht noch extra motivieren?

Ich kann ja jederzeit mit einzelnen Spielerinnen sprechen. Ansonsten glaube ich, dass wir keine Extra-Motivation benötigen. Und falls ich im Stadion dabei sein kann, werde ich die Mädels natürlich lautstark anfeuern.

Seit 2012 sind Sie beim VfL Wolfsburg. Sowohl der Klub als auch der Frauenfußball selbst haben sich seitdem enorm verbessert. Wie beurteilen Sie diese strukturelle Entwicklung?

Es hat sich einiges getan, aber nicht so, wie man sich das gerne wünscht. Im deutschen Frauenfußball haben wir noch ganz viel Luft nach oben. In der Ersten Bundesliga können wir immer noch nicht flächendeckend von Profisport reden, das ist maximal bei drei Mannschaften der Fall. Da müssen wir die nächsten Schritte machen.

Und beim VfL?

Die letzten zehn Jahre sprechen für sich. Es wurden bessere Rahmenbedingungen geschaffen, wir wurden auch im Verein mehr wertgeschätzt. Mit den zunehmenden Erfolgen hat man hier auch gemerkt, wozu der Frauenfußball imstande sein kann. Aber natürlich gibt es immer Optimierungspotenzial.

Wo sehen Sie das?

Es geht alles noch professioneller. Eine Sauna in den Katakomben wäre gut, ein Ermüdungsbecken in der Kabine, eine Kantine, sodass man bei zwei Trainingseinheiten nicht zwischendurch nach Hause muss, um zu essen. Auf Dauer wird es auch schwierig, finanziell mitzuhalten, wenn man sieht, was in den englischen Ligen investiert wird.

Europaweit ist zu beobachten, dass der Frauenfußball aufrüstet, sei es Chelsea, Manchester City, Paris oder Barcelona. Eine Chance für den Frauenfußball oder eine Gefahr für den eigenen Erfolg?

Wenn man selbst stagniert, ist das sicher eine Gefahr. Aber generell wollen wir eine bessere Wertschätzung und mehr Anerkennung für den Frauenfußball, da ist es schon gut, dass solche Mannschaften mit dieser Strahlkraft so in ihre Frauenteams investieren.

Ist es auch eine Gefahr für Vereine nur mit Frauenmannschaften, wenn Klubs mit erfolgreichen Männermannschaften ihre Frauenteams derartig pushen?

Grundsätzlich schon, aber wir müssen auch gucken, wie wir den Frauenfußball auf die nächste Stufe bringen können. Für reine Frauenvereine ist es unglaublich schwer, ohne zusätzliche finanzielle Unterstützung, konkurrenzfähig zu bleiben. Aber es darf auch nicht nur noch ums Geld gehen, sonst verliert der Fußball seine Werte.

Nach der Pause geht es in die neue Saison, mit neuem Trainer und ohne Ihre gute Freundin Lena Goeßling. Wie schwierig wird es ohne sie?

Es wird sicher komisch. Wir haben so viele Jahre miteinander verbracht und so viel zusammen gewonnen. Wir haben den VfL da hochgespielt, wo er jetzt steht. Da wird es schwierig, Mitspielerinnen, die auch zu Freundinnen geworden sind, gehen zu lassen. Aber Lena wird ihren Weg gehen. Und der Kontakt wird sicher nicht abreißen.

Zsanett Jakabfi wird auch aufhören. Sind Sie als Führungsspielerin dann noch mehr gefragt?

Neben mir haben wir mit Almuth Schult, Anna Blässe und Svenja Huth auch noch andere Spielerinnen, die dieses Vakuum füllen können. Aber bei Zsanett ist es schon krass, dass sie bereits ihre Karriere beendet. Sie wird auch als Typ unfassbar fehlen, auch als eine Freundin von mir. Dieser Sommer wird emotional sicher nicht einfach.

Sicher auch wegen der anstehenden Reha. Können Sie schon abschätzen, wann wir Sie wieder auf dem Platz sehen werden?

Nein, leider nicht. Das wird der Heilungsverlauf erst zeigen.

Sie haben eine Ausbildung als Tierpflegerin gemacht. Gibt es nach der Karriere dann das Comeback im Zoo?

Vielleicht. Vielleicht bleibe ich aber auch im Fußball und mache zum Beispiel etwas Repräsentatives beim DFB. Aber ich habe keinen genauen Plan und bin relativ entspannt.

Wie entspannt lief es damals im Zoo? Oder kam es da auch zu Zweikämpfen mit den Tieren?

Mit einem Marabu-Vogel kam ich nicht so gut klar. Der hat mich sogar angegriffen. Der mochte keine Frauen und hat auch andere Mitarbeiterinnen attackiert. Aber der Job erfüllt mich schon. Ich umgebe mich unheimlich gerne mit Tieren und hätte sicher noch Spaß bei der Arbeit, auch wenn die Ausbildung schon einige Jahre zurückliegt. Leider verdient man nicht wirklich gut.

Wir vermerken als Zukunftsoption: Halbtags DFB, halbtags Tierpflegerin.

Da würde ich nicht nein sagen. (lacht)

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